Wenn heute ein Unglück passiert, ist es anders als früher. Früher war es für die Menschen selbstverständlich, ein Unglück nicht als Sensation zu betrachten, die man sich unbedingt anschauen muss. Man hatte Takt und hielt sich fern, soweit man nicht helfen musste. Heute braucht man bei Unglücksfällen ein eigenes Personal, das Sichtschutzwände aufbaut, um Gaffer fern zu halten.
Und noch etwas ist anders: Heute sieht man im Fernsehen bei Unglücksfällen Notfallseelsorger und Leute vom psychologischen Hilfsdienst. Das gab es für uns als Kinder im Kriege nicht. Wie es damals zuging, möchte ich mit einem Beispiel zeigen: Meine Schwester bekam immer schwere Angstzustände, wenn die Sirenen einen Luftangriff ankündigten. Sie bekam keine Luft mehr und fiel um. Der Ratschlag des Arztes hierzu an meine Mutter: „Geben Sie Ihrer Tochter ein paar kräftige Ohrfeigen. Dann vergeht das.“ Tatsächlich hat es gewirkt, aber das Rezept war für meine Mutter natürlich sehr schmerzlich. Wie man sieht, geht es auch ohne Psychologen.
Nicht nur im Krieg habe ich Grausames erlebt, sondern auch als Mitglied der Bergwacht hatte ich Unglücksfälle psychisch zu verarbeiten. Da ist niemand auf die Idee gekommen, psychologische Hilfe für notwendig zu erachten.